19.10.2017 Sehgal-Seminar Oktober 2017

Herbstseminar mit Sanjay Sehgal, Dobelhaus, Bad Boll 06.-08.10.2017 Zusammenfassung von Ursula Willert-Ziegeler

Den Inhalt bildeten Auszüge aus dem Organon sowie die Interpretation von Rubriken aus dem Geist- und Gemütsteil, sowie speziell derjenigen von Arsenicum album und Ignatia mit vielen Querverweisen auf andere Mittel, die sich aus der Repertorisation ergaben.

Schon in den 80iger Jahren stellte M.L. Sehgal seine Methode in Deutschland vor. Dann folgte eine längere Pause bis er uns 1999 in Limburg mit der Interpretation seiner Rubriken erneut vertraut machte.
Sich auf Hahnemann beziehend betont Sanjay die drei wichtigen Schritte der Fallaufnahme, den vorurteilslosen Blick, den klaren Sinn für die Beobachtung sowie Treue im Aufzeichnen des Krankheitsbildes.
Um nicht einem Vorurteil des Patienten/Angehörigen bzw. dem eigenen zu erliegen, gilt es, den Patienten vorurteilsfrei, wie Hahnemann in den §§ 83-104 beschreibt, zu begegnen. Auch wir unterliegen gewissen fixen Ideen bezüglich unserer Arzneimittel. Deshalb achten wir auf dem kranken Menschen und nicht auf der Krankheit.
Die großen Homöopathen wie Kent oder Bönninghausen kommen von den Allgemeinsymptomen zu den speziellen Symptomen, von den Hauptsymptomen dann zu den Einzelheiten bzw. den Modalitäten. M.L.Sehgal hat diese lange Reise verkürzt, indem er das Verhalten des Patienten während der Krankheit beobachtete. Wie ist seine Stimmung während der Komplikation? Ist er ärgerlich, weinerlich, ängstlich, hoffnungsvoll, froh und vieles mehr. In akuten Fällen kann das der Patient sehr gut beschreiben, weil sich Symptome schneller entwickeln. In chronischen dagegen muss der Patient immer wieder aufgefordert werden, sich genau zu erinnern.

Dann führte uns Sanjay zum Hauptteil des Seminars – zu Arsenicum album mit einer Vielzahl von Gemütsrubriken sowie den differentialdiagnostischen Mitteln, die sich aus der Kombination von Rubriken ergaben.
Arsenicum album gilt klassisch als ruhelos, mit innerer Hitze, der Verbesserung durch Wärme. Außderdem hat eine große Angst alleine zu sein. Deshalb klammert Ars. auch.
Sanjay demonstrierte seine Vorgehensweise anhand eines psychiatrischen Falles aus Deutschland.
Die Patientin war wegen Depressionen und Wahnvorstellungen in Behandlung. Ihre Symptome besserten sich durch die allopathische Therapie nicht anhaltend. Auch Homöopathie half nur kurz. Alles begann für sie, nachdem ihre außereheliche Affäre mit dem Tod des Liebhabers während Intimverkehrs endete. Beide waren verheiratet und trafen sich schon seit 7 Jahren heimlich ohne dass jemand davon Kenntnis hatte.
Das letzte Treffen im Feld endete tragisch. Trotz der für sie kompromittierenden Situation rief sie die Polizei und den Notarzt, aber auch die konnten dem nackten Mann im Feld nicht mehr helfen. Im folgenden fühlte sie sich von der Familie des Mannes verfolgt, bekam Angstzustände und Depressionen. Sie musste Impulsen widerstehen, sich bei der Ehefrau ihres Exliebhabers zu entschuldigen. Ihre eigene Ehe ging in die Brüche. Selbst in einer Klinik arbeitend, verweigerte sie jegliche Behandlung. Es sei alles in Ordnung, behauptete sie. Erst nachdem es ihr immer schlechter ging akzeptierte sie eine Behandlung, war aber nicht kooperativ. Von einem Kollegen erhielt sie Ingatia, Lachesis, Nat-m. bis Op ihre Stimmung besserte. Wegen ihres sexuellen Verlangens erhielt sie anschließend Canth. In diesem Stadium wurde Sanjay um Hilfe gebeten. Sie war gerade während eines dritten leichteren Schubes der Psychose in Behandlung. Sanjay nahm keine Depression bei ihr wahr, eher große Scham und starke Schuldgefühle. In dem kleinen Ort in dem sie lebte, fühlte sie sich abgestempelt. Sie entwickelte die Wahnidee, dass die Polizei den Fall erneut untersuchen könnte und einen starken Drang alles aufzuklären, damit sie ihre Unschuld beweisen könnte. Sanjay zögerte zunächst, ob er sie auf ihre Geschichte überhaupt direkt ansprechen könnte. Nun verkürze ich hier an dieser Stelle seine Fallaufnahme.
Sanjay fragte nach ihrer Schilderung nach ihren gegenwärtigen Problemen, die besonders durch Schuld und Scham geprägt waren. Sie wollte sich von ihrer angeblichen Schuld reinwaschen, deshalb das starke Verlangen mit der Ehefrau zu sprechen. Sie hatte doch alles getan, um ihn zu retten. Auch bei Sanjay und in der Psychotherapie enthüllte sie ihre Geheimnisse. Sanjay nahm dafür die Rubrik „Sprechen - Schlaf, im - enthüllt Geheimnisse“ Weshalb „Schlaf“?, Psychotherapie ist wie eine Trance, ein nicht bewusster Zustand. Sie fühlte sich von der Polizei verfolgt, hatte eine Furcht, verhaftet zu werden. Warum hat er nicht „Ehebrecherisch“ genommen? Das wäre nicht ihr kranker Zustand gewesen, sondern ihr Charakter. Wir haben ihre Aussagen in die folgenden Rubriken übersetzt.
Waschen, Baden - Verlangen, sich zu Waschen, zu Baden – Reinlichkeitswahn
(sie hatte das Bedürfnis, sich von ihrer Schuld reinzuwaschen)
Furcht - verhaftet, festgenommen zu werden
Wahnideen - verdammt; er sei
Wahnideen - Unrecht - begangen zu haben; Unrecht
Enthüllt Geheimnisse - Schlaf, im
Wahnideen - verfolgt, ihm würde nachgestellt (konkret); er würde - Polizei, von der

Nun noch ein kleiner Exkurs wie wir die Rubriken miteinander verbunden haben:
Gemüt - Wahnideen - verdammt; er sei
Gemüt - Wahnideen - Unrecht - begangen zu haben; Unrecht
Ars, op, sulph, lach,veratr, puls, cycl, hyos.
Nimmt man
Exzentrizität, Überspanntheit
Wachsam
Dann bleiben ars, op und sulph. Deshalb hat Op kurz gewirkt.
Die
Wahnideen - verhaftet werden; er solle
Furcht verhaftet zu werden
Bleibt nur noch ars.
Arsen muss rein werden, solange kann sie nicht ruhen.
Sehr stark ausgeprägt war bei ihr auch die
Wahnideen - beobachtet, sie würde.
Wir entwickelten Ars. noch anhand weiterer Fälle und lernten verschiedenen Stadien und Facetten kennen.
Diese geistige Unsicherheit von Ars, unterscheidet es von Rhus tox., das auch innere Ruhelosigkeit hat. Verbindet man diese zwei Rubriken führen sie uns u.a. zu ars und sil.
Ars. hat kein Verlangen nach Ruhe vielmehr ist es in den Rubriken um das „Geschäft“ zu finden. Aber auch in „Sorgen voller um andere“. Aber: Sie tut es nicht uneigennützig nach dem Motto, „wenn ich denen helfe, so müssen sie auch mir einmal helfen“. Ihre Hilfe ist also ein Geschäft. Zorn zeigt ars. auch, wenn jemand von ihrer „Genesung“ spricht, das erinnert sie an ihre Krankheit, das will sie nicht. Die Rubrik dazu lautet:
Zorn - Genesung spricht; wenn jemand von ihrer
Zu Beginn kann sie sehr hoffnungsvoll, ja sogar „Gesund“ sein, solange bis die Zweifel kommen.
Sie beginnt an der Genesung zu zweifeln oder verzweifelt. In diesem Stadium lehnt sie alles
sehr sachlich ab. Weil Gesundheit ihr größtes Gut ist, hat sie große Angst diese zu verlieren: Furcht vor Armut. Wegen dieser Furcht zeigt sie auch „Furcht vor Dieben im Haus“. Wie dazu kommt hat Sanjay sehr schön erklärt: „Diebe im Haus“, das sind diejenigen, die sie umgeben, ihre Nächsten.
Wir haben nicht nur Arsen ausführlich kennen gelernt, sondern über die Verbindung mit anderen Rubriken, auch eine Vielzahl von anderen Mitteln besprochen. Für so eine schöne Rubrik wie „Diebe im Haus“ meint Sanjay, muss man einfach ein erweitertes und kreatives Verständnis für die benutzen Wörter entwickeln. Deshalb forschen die Sehgals unermüdlich an einer wahrheitsgemäßen, sinnvollen und kreativen Interpretation der Rubriken.
Sanjay machte auf eine weitere spannende Rubrik aufmerksam:
Ignatia – liegt in vielen Rubriken nahe an Arsen. Das ist uns beim Repertorisieren immer wieder aufgefallen. Ein wesentlicher Unterschied zu Ars. liegt in „Beschwerden durch Verlegenheit“. Hier ist Ars. nicht enthalten. Ignatia erträgt keine „Ungerechtigkeit“. Sie tut alles für andere und wenn sie einmal Hilfe braucht, ist keiner für sie da. Da entwickelt sie die „Wahnidee Arme gehören nicht zu ihr“ Hände und Arme werden sehr gebraucht. Sie steht alleine da. Was mache ich in einem Zustand ohne Arme? Da kann ich nicht mehr mitspielen, Ign. wird „Fassungslos“. Sie möchte ihr Recht bekommen, und keinen „Trost“ oder ein Trostpflaster. Das sind Kinder, die einen billigen Trost ablehnen.
Abschließend noch eine Frage von Sanjay:
Was ist der Unterschied zwischen Paracetamol und einer homöopathischen Arznei? Während das Schmerzmittel die Kontrolle über den Schmerz übernimmt (alle 6 Stunden eine Tablette), gibt die homöopathische Arznei dem Körper einen Stimulus zur Heilung.
Durch dieses Seminar sind wir wieder reicher geworden.
Vielen Dank an Sanjay und vielen Dank liebe Eva auch an dich und Martin für die freundliche Bewirtung sowie Euren schönen Seminarraum.

Eure begeisterten Fans